stegenwaldhaus

Hier einige historische Fotos aus Stegenwaldhaus, dem kleinen Ort bei Hof/Saale in dem ich aufgewachsen bin:

Stegenwaldhaus, das war damals ein dreigeteilter Ort zugehörig zu Gemeinden (Selbitz, Dörntal und Leupoldsgrün), mit vier unterschiedlichen Volkschulen (Dörntal, Rothembürg, Köditz und Lipperts) und zwei Landkreisen (Hof und Naila). Wir waren damals 4 Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen im gleichen Alter. Ein Mädchen ging in Köditz, das andere in Dörnthal in die Schule. Ich fuhr mit dem anderen Jungen nach Rothenbürg, wo ich allerdings „Gastschüler“ war, da es keine Verkehrsverbindung nach Leupoldsgrün gab, wo ich eigentlich regulär eingesschult werden sollte. Diese Besonderheiten blieben bis in die Mitte der 70erJahre erhalten. 1976 wurde Stegenwaldhaus als gesamter Ort in die Stadt Selbitz eingemeindet. Nach der Eingemeindung wurden wir durch die Verlegung der Wasserleitung und Kanalisation dann auch an den Rest der Welt angeschlossen.

Mein Elternhaus in Stegenwaldhaus 55 …

Nach der Gebietsreform und zahlreichen Interventionen der ansässigen Gewerbetreibenden wurde endlich Abhilfe geschaffen und Stegenwaldhaus zur Stadt Selbitz und dem Landkreis Hof zugeordnet. Heute ist Stegenwaldhaus zwar immer noch in ein oberes, mittleres und unteres historisch unterteilt, aber zumindest ist es politisch vereint.

In meiner Jugend bestand das beschauliche, ruhige Dorf aus 16 Wohnhäusern mit insgesamt 50 Einwohnern (davon 18 Kinder und Jugendliche). Die Ruhe wurde nur an einem Tag der Woche, dem Samstag, auf den Kopf gestellt, denn da war jede Woche im Gasthaus Leupold Tanz angesagt. Gruppen aus der Umgebung spielten Live für die Massen aus der Umgebung. Die Autos parkten die komplette Ortsstraße zu und wir hörten Musik ohne eingeschaltetes Radio und das nicht gerade leise.

… und das Ganze heute aus der Vogelperspektive

Der Name Stegenwaldhaus wurde erstmals als „Ansiedlung in dem Holz zu den Stegen“ um 1429 erstmals geschichtlich erwähnt. Das gesamte Gebiet gehörte später Christian Friedrich Carl Alexandervon Brandenburg-Ansbach. Da er kinderlos war trat er sein Land gegen eine Leibrente von 300.000 Gulden an Preußen ab. Alexander von Humboldt wurde von der neuen Regierung als Oberbergmeister in Franken ernannt. Die ganze Gegend um das heutige Stegenwaldhaus war dicht bewaldet. Mitten in dem Gebiet entstand um 1800 das Bergwerk „Hoff auf Gottes Segen”. In der Nähe dieses Bergwerks ließ Kammerherr von Reitzenstein ein Wohnhaus, das heutige „Forsthaus“ für seinen Waldaufseher erbauen, der die Holzabgabe für das Bergwerk überwachen sollte. Der unwegsame Weg zu diesem Haus im war der „Steg zum Waldhaus“. Im Bergwerk wurde Erz gefördert. Im Rahmen der Industrialisierung wurde die Bahnlinie Hof – Marxgrün Ende des 19. Jahrhunderts erbaut und 1887 eröffnet. Die Haltestelle in der Nähe des Bergwerks erhielt den Namen Stegenwaldhaus. Inzwischen gab es auch einen Steinbruch in Richtung Sellanger von dem eine Drahtseilbahn bis zur Haltestelle der Bahn führte. Dieser ist heute vollstädig mit Wasser gefüllt und wird von den Anrainern „Königssee“ genannt. Ein weiterer Steinbruch zum Abbau von Kalk lag in Richtung Rothenbürg (heute Kalkofen genannt). Im Laufe der Zeit wurde eine Villa, ein Cafe und ein Gasthaus, das heutige Hotel Leupold gebaut. Vor dem 2. Weltkrieg war der Ort ein Luftkurort. Die vornehmen und finanzkräftigen Gäste kamen aus der Hauptstadt und vielen anderen großen Städten in die „Sommerfrische“. Sie erhielten im Gasthof Leupold Kost und Logis. Der inzwischen stillgelegte Steinbruch diente den Urlaubern im Sommer zum Baden und im Winter zum Eislaufen.

1934 begann der Bau der Autobahn nach Berlin. Für die Arbeiter wurde in Richtung Brunn ein Barackenlager errichtet. Viele vorher Arbeitslose aus allen Teilen Deutschlands fanden hier „Lohn und Arbeit“.
Das Barackenlager wurde nach der Fertigstellung der Reichsautobahn als Offiziersausbildungsstätte für 15 bis 16 Jahre alte Jungen genutzt. Das ehemalige Cafe wurde von der Gauleitung Bayreuth als Kinderheim eingerichtet. Dort konnten sich Kinder aus norddeutschen Großstädten erholen, die unter den Bombenangriffen der Alliierten zu leiden hatten.

Die Gegend um den Ort zu Zeiten Christian Friedrich Carl Alexandervon Brandenburg-Ansbach um 1780

In meiner Jugend gab es in Stegenwaldhaus 7 Gewerbebetriebe:
Ein Marmorwerk (das unsere), eine Marmorschleiferei, das Gasthaus, den Kohlen- und Getreidehändler, ein Betonwerk, sowie das Kinderheim und den Bauernhof.

Es gab keine Kanalisation und keine Wasserleitung. Jedes Haus hatte seine eigene „Klärgrube“,also „Plumpsklo“. Wenn diese voll war brachte der Bauer seinen Jauchefaßwagen und die Grube wurde mit Jaucheschöpfern und Eimern geleert.
Das Trinkwasser kam aus dem hauseigenen Brunnen und wurde mithilfe einer Schwengelpumpe in Eimer abgefüllt und ins Haus gebracht.

Unser Marmorwerk wurde nach dem Tod meines Großvaters 1953 an einen Unternehmer aus Treuchtlingen verpachtet und später an die Besitzer der Marmorschleiferei verkauft.
Wie bereits erwähnt war Stegenwaldhaus zu meiner Zeit ein, bis auf Samstag, sehr beschauliches, fast verschlafenes Dorf. Die Eier legten die eigenen Hühner. Die Milch wurde beim Bauern geholt. Kohlen brachte der ansässige Kohlenhändler und Kartoffeln für das ganze Jahr wurden damit verdient indem wir dem Bauern bei der Kartoffelernte halfen und zweimal pro Woche kam der Bäcker aus Leupoldsgrün mit einem Kombi voller Lebensmittel (Brot etc.). Für größere Einkäufe wurde mit dem Zug nach Hof oder Selbitz gefahren.

Die Bahn war das Hauptverkehrsmittel. Ohne sie war man im Dorf eingesperrt. Sie brachte darüber hinaus auch allerlei Güter z.B. die Marmorblöcke die bei uns zu Platten zersägt wurden. Auch die fertigen Platten wurden per Schiene zu ihren Abnehmern gebracht. Auch Kohlen und Getreide, sowie Rohmaterialien für die Scheuertuchweberei in Lepoldsgrün wurden per Güterzug angeliefert. Neben dem Bahnhof gab es eine Güterhalle in der größere Lieferungen angeliefert und abgeholt werden konnten.

Stegenwaldhaus heute

Der wohl bekannteste Einwohner ist der “Leipolds Nickl vo Steg’nwaldhaus”. Das Lied über ihn, von meinem Opa getextet, ist weit über die Grenzen von Oberfranken bekannt und darf auf keinem Sommerfest fehlen.